Thomas Popiesch

Eine Sportlerseele

Seit seiner ersten Saison für die Pinguine vor 33 Jahren ist Thomas Popiesch in Krefeld zu Hause. Jetzt kehrt er beruflich an seine alte Wirkungsstätte zurück.

Thomas Popiesch und Krefeld. Das ist eine lange Liaison, die zwar wie so vieles im Leben auf dem einen oder anderen Zufall beruht, aber die dennoch unverkennbarer Ausdruck des Wesen und Lebens dieses Mannes ist. Es ist die tiefe Liebe zum Sport, zum Eishockey im Besonderen, die diese prägende Verbindung überhaupt möglich gemacht hat – neben den politischen Umwälzungen der Wendezeit. Der gelegentlich durchschimmernde Berliner Dialekt verrät die Herkunft des 59-Jährigen, doch wirklich Wurzeln geschlagen hat er erst in den frühen 90er-Jahren, als er während seiner Spielerzeit beim Krefelder EV seine Frau Andrea kennenlernte. Der Forstwald, wo er mit ihr lebt, ist für den gebürtigen Ostdeutschen seit damals wichtigster Ankerpunkt – auch in Zeiten, in denen seine Karriere ihn in andere Gefilde verschlug. 33 Jahre, nachdem er als aktiver Spieler für die Pinguine dem Puck nachjagte, ist er in den Heimathafen zurückgekehrt. Mit dem klar formulierten Ziel, den Fans den Wunsch nach der Rückkehr ins Eishockey-Oberhaus DEL zu erfüllen.

Sein Lokalpatriotismus markiert Thomas Popiesch als wohltuenden Außenseiter in einer Branche, in der viele ein Dasein als Wanderarbeiter mit beinahe jährlichen Vereinswechseln pflegen: „Krefeld ist meine Heimat. Hier habe ich meine Familie gegründet“, sagt er mit beeindruckender Klarheit. Dass der Pinguine-Coach sich gern langfristig bindet, belegt auch seine Vita. Wo er sich niederließ, arbeitete er mehrere Jahre und brachte sein ganzes Herzblut ein. Zuletzt etwa während seiner achtjährigen Zeit beim Erstligisten aus Bremerhaven. „Ich möchte etwas entwickeln, wenn ich die Dinge anpacke“, gesteht Popiesch, der zum Gespräch in die weitläufigen Katakomben der YAYLA-Arena geladen hat. In der im schwarz-gelben Vereinskolorit gestalteten Kabine hängen die Sportausrüstungen schon bereit für die nächste Schicht auf dem Eis, in der Luft liegt noch Trainingsschweiß von der letzten Einheit. Zwischen Trainerbüro, Großraum-Kabine, Dusche und Besprechungsraum, wo aus der Kombination der verschiedenen Charaktere einer Mannschaft im Idealfall jene chemische Reaktion entsteht, ist Popiesch zu Hause. Seit seinem fünften Lebensjahr steht er auf den Kufen. Die dauerhafte Rückkehr in die alte Heimat macht Sinn, beruflich wie privat. „Da schließt sich der Kreis“, sagt er.

Ganz weg war er aber eigentlich nie, auch wenn ihn die Sportlerkarriere immer wieder in andere Städte verschlug. Seine Frau und seine Tochter begleiteten ihn oft auf seinen Wegen, zu den Ratinger Ice Aliens, den Lausitzer Füchsen oder eben nach Bremerhaven. Doch wann immer es möglich war, verbrachte man die gemeinsame Zeit im Sommer daheim am Niederrhein. Vielleicht ist diese Verbundenheit auch eine späte Reaktion auf seine Vergangenheit. Denn als Jugendlicher prägte Popiesch vor allem der Wunsch, seiner zunehmend als Gefängnis empfundenen Ostberliner Heimat zu entfliehen. Der Berliner hat demnach eine denkwürdige Fluchtgeschichte hinter sich. Beim ersten Versuch wurde das Sturmtalent von Dynamo Berlin geschnappt, wanderte für vier Jahre ins Gefängnis, bekam die Förderung entzogen. Beim zweiten Versuch im Jahr 1989 hatte er mehr Glück: Über Ungarns grüne Grenze strandete Popiesch in Österreich. Die Leidenschaft für den Sport, der Wunsch, sich als Eishockeyspieler zu behaupten, war ein wesentlicher Antrieb, die DDR hinter sich zu lassen: „Es war die Aussichtslosigkeit, die mich die Flucht ergreifen ließ“, erzählt er heute. Der Plan ging auf, im Westen konnte Popiesch seine ins Stocken geratene Karriere fortsetzen. Aber die Erfahrungen haben ihn geerdet: „Es war auch Glück. Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort“, sagt er bescheiden.

Sein Ziel ist ganz klar: Aufstieg in die DEL. Dafür wirft Popiesch sein ganzes Fachwissen in die Waagschale.

Mit dieser Biografie im Rücken ist es kaum verwunderlich, dass weder Siege noch Niederlagen den Eishockey-Enthusiasten und zweimaligen „Trainer des Jahres“ aus der Fassung bringen können. Popiesch hat für sich den richtigen Mittelweg gefunden: „Ich bin nicht sehr euphorisch und auch nicht so schnell niedergeschlagen“, bestätigt er. Für Überschwang ist es auch noch zu früh, denn die Siegesserien mit Krefeld in der DEL2 sollen nur der Anfang sein. „Krefeld gehört in die erste Liga“, schwärmt er. Ende November sah es sehr gut aus für die Pinguine. Gelingt der Aufstieg womöglich schon im nächsten Frühjahr? Das wäre das perfekte Drehbuch für den Wahl-Krefelder: „Wenn das klappen würde, wäre das wunderbar und noch emotionaler für mich.“ Eng wirkt er mit den Clubvorderen wie Hauptgesellschafter Peer Schopp zusammen, schätzt die klaren Pläne und Strukturen: „Wir arbeiten lösungsorientiert.“ Dem festen Plan folgen auch seine Spieler. Intensives Forechecking, den Rivalen richtig zusetzen. Das Spiel dominieren, alles selbst in der Hand haben. Das Vertrauen des Trainers stärkt sie. Hier die Respektsperson Thomas Popiesch, dort die Cracks, die Verantwortung auf dem Eis übernehmen. Das Erfolgsrezept klingt verblüffend einfach aus seinem Munde: „Ich behandle meine Spieler so, wie ich selbst gerne als Spieler behandelt worden wäre.“ Das Ergebnis ist ein stimmiges Ganzes, das man Woche für Woche bewundern kann.

Und wenn es doch mal stressiger werden sollte? Dann hat Popiesch immer noch den Forstwald. Mit seiner Ehefrau hat er hier das Haus der Schwiegereltern übernommen und genießt die Ruhe am Stadtrand. In der Freizeit spielt er Golf auf dem nahegelegenen Golfplatz, steigt aufs Rad, geht laufen oder greift zum Hockeyschläger in einer Hobby-Truppe. Sport muss sein, gerade in der Eishockey-freien Zeit. „Ein gewisser Wettkampfcharakter steckt immer in mir drin“, lächelt er. Dass seine Frau diese große Sportbegeisterung nicht teilt, steht der Langzeit-Beziehung nicht im Wege, im Gegenteil. Es gibt Dinge, die gehören eben einfach zusammen, ohne dass man das erklären kann. Wie Thomas Popiesch und Krefeld.

Fotos: Felix Burandt
Artikel teilen: